I. Die akademische Kenntnis der Armut – eine Ergänzung zu anderen Wissensformen
Unsere Bewegung und auch unser Ausschuss stellen sich die Frage, welche Kenntnis wir brauchen, um Armut und Ausgrenzung wirksam zu bekämpfen.
- Welche Kenntnis brauchen die Armen?
- Welche Kenntnis brauchen die Projektteams?
- Welche Kenntnis brauchen unsere nationalen Gesellschaften und die Internationalen Gemeinschaften?
Sicher könnten wir sagen, dass jeder von uns im Laufe seines Lebens und seines persönlichen Einsatzes eine Periode der Geschichte durchlaufen hat, in der die Frage „Welche Kenntnis?“ weitgehend mit einer akademischen, an der Universität erarbeiteten Kenntnis beantwortet wurde. Viele von uns erwarteten, dass die an den Universitäten oder anderen Forschungsinstitutionen konstruierte Kenntnis der Durchsetzung politischer und gesetzgeberischer Maßnahmen am meisten förderlich sei. Man erwartete viel von dieser Wissenssparte, zu der Forscher, Akademiker, Wissenschaftler Zugang haben, die eine Beobachterposition einnehmen, deren Lebenslage aber dem Leben der Meistbenachteiligten fremd ist. Diese Art von Kenntnis wurde wegen ihrer Methodik, ihrer Strenge, ihrer Objektivität, ihrer „Neutralität“ hoch eingeschätzt. Dies waren beruhigende Aspekte für diejenigen, die angesichts der unermesslichen Komplexität der Probleme, aber auch der subjektiven Art, mit der Politiker sie angingen und darstellten, eine objektive Wahrheit finden wollten als Leitlinie für eine bewusste und wirksame Aktion für die Armen.
… Das Grundproblem, das wir bis heute zu wenig klar erkannt haben, ist folgendes: Die akademische Kenntnis der Armut und der Ausgrenzung – wie übrigens auch jeder anderen menschlichen Realität – ist einseitig. Diese Kenntnis kann nur eine indirekte und rein informative sein. Es fehlt ihr die Verhaftung im Realen und deshalb kann sie die Menschen weder aufrütteln noch zum Handeln anstiften.
Viele von uns haben gelegentlich eine gewisse Enttäuschung verspürt, weil die eine oder andere ihrer Studien wirkungslos blieb. Wir haben dabei vielleicht nicht genügend bedacht, dass die akademische Forschung im strengen Sinn notwendigerweise zu einer Abstraktion führt, zu einer Außenansicht der Wirklichkeit, in allgemeinen Sätzen formuliert. In diesem Abbild fehlen Gefühle und Farben, also genau das, was in den Menschen den Wunsch wecken kann, für andere Menschen zu handeln. Eine umfassende Kenntnis der Armut und der Ausgrenzung muss gleichzeitig informieren, erklären und aufrütteln. Die wissenschaftliche Forschung muss sich bewusst sein, dass sie nur ein Bestandteil davon ist, der informative, sozusagen „leblose“ Teil.
Denn ihre Erkenntnisse bleiben ohne Leben, solange sich an ihrer Seite nicht zwei andere Bestandteile finden:
- die Erkenntnisse der Armen und Ausgeschlossenen, die sowohl ihre eigene Lage als auch die Welt, die sie in diese Lage versetzt, als Realität von innen erleben,
- die Erkenntnisse der Menschen, die mit den Opfern großer Armut und Ausgrenzung leben und arbeiten.
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* Die UNESCO (englisch United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization, deutsch offiziell Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur,[1] auch: Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur[2])
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