Wer wird die Botschaft hören wollen?

Es war Besuchstag. Sie sollte ins Gefängnis zu ihrem Mann gehen. Doch sie hatte die Kraft nicht dazu. Die letzten Tage hatte sie kaum gegessen, und sie spürte, dass das Kind unter ihrem Herzen Hunger hatte.

Und was hätte sie anziehen sollen für den Besuch? Ihr einziges Kleid war ihr zu eng geworden mit dem Kind, das sie im achten Monat trug. So blieb sie den ganzen Tag im Unterkleid und wartete auf einen Besucher, der sie aus ihrer Hoffnungslosigkeit erlösen könnte. Sicher, sie bekommt Besuch, aber das sind Leute, die ebenso unglücklich sind wie sie selbst und die sie unablässig mit Fragen quälen: „Was hat er angestellt? Hast du etwas gewusst? Wie viele Monate hat er gekriegt?“ Sogar ihre Eltern haben sie davongejagt aus Angst, es könnte etwas von der Schande an ihnen hängenbleiben.

So ist sie wirklich allein mit dem Kind, das an ihren Eingeweiden zerrt und Hunger hat. Auch sie hat Hunger, und Angst hat sie auch,

Angst, dass das Kind missgestaltet auf die Welt kommt, dass es in der Klinik bleiben muss, dass es ihr weggenommen wird, wie sie und ihre Geschwister den Eltern weggenommen wurden, damals, als sie noch klein war.

Als einer von uns bei ihr hineinschaute, fand er sie, den Kopf an die Türe gelehnt. Sie weinte leise und verbarg ihr Gesicht, um Fragen und Mitleid fernzuhalten. Das einzige, was sie herausbrachte, war: „So kann ich nicht aus dem Haus, ich habe nichts anzuziehen! Was wird er denken, wenn ich heute nicht komme? Und mitbringen könnte ich ihm auch nichts. Ich weiß nicht, ob er das versteht! Vielleicht kommt er noch auf dumme Gedanken!“

Ich habe noch nicht erwähnt, dass sie erst sechzehn ist. Manchmal fragt sie uns, was Tausende anderer Mädchen immer wieder fragen: „Warum nur bin ich auf die Welt gekommen?“

Sie ist erst sechzehn und erwartet ein Kind. Wie jenes andere Mädchen, das der Engel besucht hatte, und das den Gläubigen so viel bedeutet, weil es die Hoffnung in sich trug und den Frieden der Welt. Sie ist erst sechzehn. Auch sie möchte mit ihrem Kind der Welt Hoffnung und Frieden schenken. Doch von der ersten Stunde ihres Lebens an war sie durch die Not ihrer Eltern zu Hoffnungslosigkeit und Entbehrung verdammt.

Auch jene andere hatte Angst. Auch zu ihrem Kind würde die Welt nein sagen. Doch glaubte sie an Ihn, den sie erwartete. Sie wusste, dass er so oder so den Teufelskreis der Not durchbrechen würde, der die Menschen gefangen hält. Sie wusste, dass ihn das Schlimmste erwartete, dass aber sein Leben eine Botschaft sein würde, ein Zeugnis für Liebe und Frieden.

Welche Gewissheit aber gab es für die junge Frau, die dort am Türrahmen lehnte, gepeinigt von Hunger und Angst? Sie wusste, was Tausende von Müttern der Vierten Welt wissen: dass das Kind, das sie trug und zur Welt bringen würde, wie sie von der Übermacht des Elends erdrückt werden würde. Denn wer wird die Botschaft ihres Kindes hören wollen, die eine Botschaft von Jammer und Not ist? Wer seinen Aufruf zu Liebe und Frieden?

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